Selbstverletzung
Allgemeines über Selbstverletzung
Du verletzt dich regelmäßig aus verschiedenen Gründen selbst und findest keine Alternative mit deiner derzeitigen Situation umzugehen oder Emotionen auf einem anderen Weg Ausdruck zu verleihen? Dann leidest du unter selbstverletzendem Verhalten.
Hier erfährst du alles Wichtige über selbstverletzendes Verhalten. Das Wichtigste aber jetzt schonmal: fälschlicherweise ist es ein weit verbreiteter Irrglaube, dass Kinder und Jugendliche durch Selbstverletzung lediglich Aufmerksamkeit suchen. Doch sicherlich wird jede Person, die sich selbst verletzt, ihre eigenen Gründe dafür haben und diese sollten grundsätzlich ernst genommen werden. Du musst also keine Angst haben, dich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.
Was bedeutet selbstverletzendes Verhalten?
Selbstverletzendes Verhalten ist die absichtliche Selbstschädigung des eigenen Körpers.
Es kann für dich ein Mittel darstellen, deinen unerträglichen seelischen und emotionalen Zustand für kurze Zeit erträglicher zu machen.
Selbstverletzungen sind nicht immer gefährlich, dafür aber ungesund. Sie sind nur kurzfristig hilfreich. Langfristig kommen die unangenehmen Gefühle wieder und die Probleme bleiben.
Welche Symptome können bei selbstverletzendem Verhalten auftreten?
Die Formen von selbstverletzendem Verhalten sind durchaus vielfältig. Alle Methoden haben gemeinsam, dass du deinen eigenen Körper schädigst und dir auf verschiedene Art und Weise bewusst Schmerzen zufügst. Selbstverletzungen sind immer etwas sehr privates und intimes.
Die häufigsten Symptome dabei sind:
du erlebst ein starkes Schamgefühl in Bezug auf deine Wunden oder Narben
du fühlst dich nicht gesehen
du neigst dazu, Verletzungen durch Kleidung zu verdecken
häufig trägst du (auch wenn es warm ist) langärmlige Oberteile, um "unentdeckt" zu bleiben.
du ziehst dich zunehmend zurück
du vernachlässigst deine Freundschaften
du bist immer mehr in dich gekehrt oder bist nachdenklich
All diese Symptome treten wechselnd oder im Zusammenspiel auf. Du erlebst sie dabei in unterschiedlicher Stärke. Absolut wichtig ist, dass du dich jemanden anvertraust und dir unbedingt Hilfe holst!
Was sind Ursachen von selbstverletzenden Verhalten?
Selbstverletzendes Verhalten ist ein Mittel, deinen starken inneren Druck für kurze Zeit etwas erträglicher zu machen. Durch das Fühlen des Schmerzes und des eigenen Körpers erlebst du kurzfristig ein Gefühl von Erleichterung und Kontrolle. Der Druck lässt kurz nach. Aber was bleibt, ist eine Narbe. Auch auf deiner Seele.
Dies können die Ursachen dafür sein:
du erlebst unangenehme Emotionen und Anspannung
du fühlst dich gar nicht gesehen und einsam
du erlebst seelischen und emotionalen Schmerz
du hast große Angst und das Gefühl immer alles falsch zu machen
du hast ein geringes Selbstwertgefühl oder sogar Selbsthass
du hast oft starke Schuldgefühle
Die Gründe sind vielfältig und verschieden, doch welche Gründe du auch immer dafür hast, deinem Körper bewusst Schaden zuzufügen. Sie sind immer ein sehr starkes Signal, dass du dich und deine Themen sehr ernst nehmen und dir Hilfe holen solltest.
Was hilft bei einer Stigmatisierung von Selbstverletzendem Verhalten?
Viele Menschen reagieren zunächst mit Unverständnis und Irritation auf selbstverletzendes Verhalten. Teilweise können böse Blicke oder verletzende Aussagen wie: "Du willst doch nur Aufmerksamkeit" oder "Wieso machst du so einen Scheiß?" eine Reaktion auf deine selbst zugefügten Verletzungen oder Narben sein. Versuche dir bewusst zu machen, dass derartige Aussagen lediglich ein Ausdruck von Unwissenheit und Unsicherheit sind. Die Menschen wissen nicht, was du gerade durch machst oder wie es dir geht.
Diese Merkmale können dir und anderen helfen:
Du hast es dir nicht ausgesucht dich selbst zu verletzen, weil dir langweilig war und du Lust darauf hattest.
Du musst dich vor niemanden dafür entschuldigen oder rechtfertigen.
Versuche dich abzuwenden und wegzugehen, wenn Menschen dir sagen, dass du selbst Schuld bist oder nur Aufmerksamkeit suchst.
Sprich mit vertrauten Menschen über deine Belastungen. Du alleine entscheidest wem du was sagen möchtest.
Sei ehrlich und sage, dass du nicht weißt, wie du auf eine andere Art mit deinem inneren Schmerz und deinen Emotionen umgehen kannst.
Du entscheidest selbst, wie offen du mit deinen Narben und Verletzungen umgehen möchtest.
Je mehr Menschen sich trauen, über selbstverletzendes Verhalten zu reden, desto weniger müssen Betroffene unter Schamgefühlen leiden, weil sie denken, etwas mit ihnen sei nicht in Ordnung. Denn das stimmt so nicht! Du bist absolut in Ordnung so, wie du bist. Dein selbstverletzendes Verhalten ist es aber nicht.
Gibt es Tipps, wenn ich betroffen bin?
Sogenannte "Skills" können dir weiterhelfen, wenn du einen akuten Drang verspürst dich selbst zu verletzen. Diese sind jedoch oft sehr individuell und du musst für dich herausfinden, was dir in welcher Situation am besten hilft. Teilweise kann es auch hilfreich sein, verschiedene Skills nacheinander anzuwenden. Wenn du jedoch merkst, dass sich deine Situation dennoch nicht verbessert, solltest du darüber nachdenken, dir unsere Hilfsangebote anzuschauen.
Zuerst guckst du dabei, in welchem Zustand du dich befindest. Du beziehst dich auf deine Stresstoleranz, den Umgang mit Gefühlen und zwischenmenschlichen Fertigkeiten. Danach benutzt du einen passenden Skill, um mit der Situation klarzukommen.
1. Unterteile deine Anspannung in diese 3 Bereiche von 0 bis 100:
niedrig: 0-30 (alles ok)
mittel: 30-70 (starte unbedingt mit Skills)
hoch: 70-100 (Achtung, das kann dein "point of no return" sein. Klar denken und reagieren geht nicht mehr)
2.Skills Vorschläge...
...bei Niedrigstress:
Telefonieren
Freund:innen treffen
Social Media nutzen
Tiere beobachten
Kuscheltier fest drücken
...bei Mittelstress:
Tempo rausnehmen. Alles unternehmen, was dir hilft, dich zu beruhigen, ohne deinem Köper zu schädigen.
Bewusstes Gehen / Schmecken / Riechen / Fühlen und Hören
Augen schließen und bewusstes Atmen. Zähle 1 beim Einatmen und 2 beim Ausatmen und wiederhole das 10 mal
Meditation, wenn du darin bereits geübt bist!
... bei Hochstress:
eine Chilischote kauen
ins Kissen schreien
laute Musik hören
3x Treppe runter und wieder hoch laufen
Kühlpack oder Wärmesalbe auf die Arme
Generell gilt: Alles, was Reize setzt, um dich ins "Hier & Jetzt" zurückzuholen, deine Anspannung reduziert oder dich ablenkt, ohne dass du dich dabei verletzt, kann helfen, selbstverletzendes Verhalten zu reduzieren und alternative Verhaltensmuster zu erlernen.
Gibt es professionelle Hilfe, die ich aufsuchen kann?
Selbstverletzendes Verhalten sollte unbedingt ernstgenommen werden und ist häufig Ausdruck einer tiefer liegenden Belastung, welche im Rahmen einer Psychotherapie behandelt werden kann. Selbsverletzendes Verhalten ist ein starkes Symptom einer heilbaren Krankheit und du solltest nicht länger darunter leiden müssen. Es gibt verschiedene Optionen für dich, die wir hier und auch im Bereich "Hilfsangebote" für dich zusammengefasst haben. Zum einen findest du dort den "Hilfekompass", der dir sagt, in welcher Situation welche Hilfe sinnvoll ist. Du findest aber auch ganz konkrete Anlaufstellen, die du direkt über die App kontaktieren kannst!
Wichtig für dich ist:
Wenn du dich bereits sehr stark oder tief selbstverletzt, solltest du die Wunden unbedingt ärztlich versorgen lassen. Rufe dafür den ärztlichen Notdienst über diese Nummer an: 116 117. Dort kannst du von deiner Situation erzählen und wirst zu eine:m passenden Ärzt:in weitergeleitet.
In akuten Notsituationen rufst du den Rettungsdienst 112 oder auch die Polizei 110
Grundsätzlich gibt es für dich folgende Optionen:
Stufe 1: Sprich mit deinen Eltern oder deinen Freund:innen über deine Situation. Wenn du dich ihnen gut anvertrauen kannst, erzähle ihnen, dass es dir schlecht geht und du dich selbst verletzt.
Stufe 2: Suche ein Beratungsangebote auf. Es gibt viele kostenlose und gute Beratungen, die dir weiterhelfen können. Neben Beratungen in deiner Nähe gibt es auch Online- und Telefonangebote. Alle findest du im Bereich "Hilfsangebote".
Stufe 3: Suche ein:e Ärzt:in auf. Sowohl dein:e Hausärzt:in als auch Psychotherapeut:innen können feststellen, wie schwerwigend die Symptome deiner Selbstverletzungen tatsächlich sind. Eine vollständige Liste findest du auch im Bereich "Hilfsangebote" (Stufe 3).
Stufe 4: Wenn du dich über mehrere Monate selbstverletzt, ein normales Leben nicht mehr möglich ist und du schon die ersten 3 Stufen ausprobiert hast, kommt auch eine (teil-)stationäre Psychiatrie infrage. In diesen speziellen Krankenhäusern wird sich intensiv um dich gekümmert und ein Weg aus der Krankheit erarbeitet.
Wichtig ist nur, dass du dich traust, etwas gegen deine Krankheit zu unternehmen. Nur so kannst du auch langfristig wieder gesund werden.
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